Gen, der Berg

Wofür steht Gen?

Still werden. Geschehen lassen. Loslassen. All das ist Gen. Sich selbst spüren. Einfach mal kurz wirklich hinspüren. Hinfühlen. Die Situation tatsächlich wahrnehmen. Alles wahrnehmen.
Und dann: Die Dinge neu denken. Ganz neu. Sich eine ganz neue Lösung überlegen mit… Anfänger-Geist.

Normalerweise durchlaufen wir unsere Alltagsroutinen ohne viel nachzudenken. Aufstehen, Zähne putzen, anziehen. Frühstück und ab in die Arbeit. Wir nehmen weder die Zahnbürste noch das Frühstückbrot wahr, und wachen erst dann wirklich auf, wenn wir am Schreibtisch sitzen und E-Mails lesen. Irgendwann hatten wir diese Routine entwickelt, sie funktionierte, seither spulen wir sie ab. Geschieht etwas Unerwartetes, eine Ausnahmesituation, merken wir vielleicht, was wir da tun. Weil etwas nicht geht. Und beginnen dann möglicherweise, Elemente unserer Routine zu überprüfen. Und zu hinterfragen, ob die Standartlösung wirklich noch zielführend ist. Denn vielleicht hat sich das zu lösende Problem inzwischen geändert. Oder das Problem ist gleich, aber es gibt inzwischen bessere Möglichkeiten…

Der Einstellung effect: negative Folge mechanisiertes Denkens

Das Phänomen eines mechanisierten Geisteszustandes, der über lange Zeiträume hinweg eine früher entwickelte Standartlösung automatisch anwendet, ohne das aktuelle Problem detailliert zu prüfen, nennt man in der Wissenschaft Einstellung effect (Wikipedia). Und er gilt als negative Folge von früheren Erfahrungen beim Lösen von Problemen. Denn die Tatsache, dass eine Lösung früher erfolgreich war, verführt dazu, diese Lösung wieder und wieder anzuwenden. Und verstellt damit den Blick auf das Problem selbst, das Problem im Hier und Heute, das neue Problem, das dem alten oft nur scheinbar gleicht. Und zu dessen Lösung die Standartlösung gar nicht wirklich passt.

Tatsächlich könnte man die eigenen Problemlösungsroutinen an jedem beliebigen Tag daraufhin abklopfen, ob sie überhaupt noch zielführend sind, eigentlich bräuchte man für diese Prüfung gar keine Ausnahmesituation. Manchmal bekommt man sie aber – dankenswerterweise?! – vom Schicksal geliefert. Und fängt dann an, auszumisten. Abfall. Nicht unbedingt nur aus dem stofflichen Bereich, sondern auch um unbrauchbar gewordene Emotionen, Gedanken… Und eben: Standartantworten und Standartlösungen.

Mit Anfänger-Geist die Welt neu sehen

Bis man ganz leer geworden ist. Und ihn plötzlich wieder hat: Anfänger-Geist. Eine Haltung, die im Zen-Buddhismus Shoshin genannt wird und bei der man sich so fühlt wie ein Anfänger: offen, begeisterungsfähig, ohne Vorurteil oder vorgefasste Meinung.

In den Klassikern der Traditionellen Chinesischen Medizin wird Gen mit dem Funktionskreis Dickdarm (Di) assoziiert (siehe Reihenfolge des späteren Himmels). Entsprechenden Zitate sind hier zu finden: Wandlungsphase Metall: Dickdarm

Dem Weg der Wandlungen folgen: Was ist?

Im Modell Dem Weg der Wandlungen folgen gehört Gen zu den dynamischen Wegmarken. Bei Gen entsteht die Dynamik dadurch, dass auf empfängliches Yin (zwei (Zhen) bzw. drei (Kun) Yin Linien) eine starke Yang Linie folgt: eine positive Erschütterung, die Momentum erzeugt.

Fragen im Sinne einer Selbsterkundung könnten folgendermaßen lauten:

  • Was spüre ich, wenn ich mir erlaube, ruhig zu werden? Wie fühle ich mich?
  • Und wenn ich den Radius meiner Aufmerksamkeit jetzt weite, weiter ausdehne, um mich herum: Was ist da? Was nehme ich wahr?
  • Und wenn ich Anfängeraugen hätte? Oder mit den Augen eines Fremden blicken würde? Was sähe dieser Fremde, wenn er auf mein vertrautes Leben blicken würde?
  • Was würde er/sie dazu sagen? Mir sagen?
  • Und was sagen mir die Dinge, meine Dinge, wenn ich sie belausche? Was erzählen sie mir? Und was erzählen sie über mich?

Woraus entwickelt sich Gen?

Entwicklung von Gen

Innerhalb eines Hexagramms entwickelt sich Gen entweder aus Zhen oder aus Kun (Ausnahme: das Hexagramm beginnt mit Gen / Gen ist unteres Trigramm). Rote Pfeile deuten an, dass den vorangegangenen Zeichen oben jeweils eine (durchgezogene) Yang-Linie hinzugefügt wird. Yang steht für Tatkraft, für Aktivität. Loslassen bewirkt etwas: tiefgehende Transformation und Neuausrichtung.

Gen entwickelt sich aus Kun, Die Erde

Kun, die Erde, steht für gründliche Bestandsaufnahme. Möglicherweise bemerken wir dabei Dinge, die uns blockieren und unnötig Kraft kosten. Wenn Gen sich aus Kun heraus entwickelt, können wir überflüssigen Ballast vertrauensvoll loslassen und die Schwerkraft der Erde wirken lassen. Auf diese Weise befreien wir nicht nur Muskeln und Sehnen, sondern unser ganzes Wesen.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Gen aus Kun entwickelt, finden Sie → hier.

Gen entwickelt sich aus Zhen, der Donner

Aus anfänglicher Entscheidung (Zhen, der Donner) entsteht Loslassen und Auflösen (Gen): das Alte wird transformiert. Dieses Transformation kann abrupt geschehen, sie vollzieht sich oft aber auch fließend. Die alte Struktur existiert dann zunächst noch weiter und löst sich erst im Lauf der Zeit langsam auf, während die neue Struktur bereits wächst und dabei das Alte integriert.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Gen aus Zhen entwickelt, finden Sie → hier.

Wohin entwickelt sich Gen?

Entwicklung von Gen

Innerhalb eines Trigramms entwickelt sich Gen entweder zu Sun oder zu Kan (Ausnahme: das Hexagramm endet mit Gen / Gen ist oberes Trigramm).

Gen entwickelt sich zu Kan, das Wasser

Kan, das Wasser, entsteht, indem oben eine (durchbrochene) Yin-Linie angefügt wird (dunkler Pfeil; Yin symbolisiert Empfänglichkeit). Das Loslassen, das in Gen sichtbar wurde, ermöglicht, dass wir uns wieder mit unserem seelischen Urgrund zu verbinden: unserer eigenen, intuitiven Lebensklugheit, die wir auf dem Weg zum Hier und Heute gesammelt haben und aus der wir schöpfen können.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Gen zu Kan entwickelt, finden Sie → hier.

Gen entwickelt sich zu Sun, Der Wind / Baum

Sun, der Wind / Baum entsteht, indem oben eine (durchgezogene) Yang-Linie angefügt wird (roter Pfeil; Yang symbolisiert Tatkraft, Aktivität). Im Loslassen (Gen) befreien wir uns von unnötigem Ballast und können unsere Kräfte konzentrieren. So spannen wir die Sehne unseres Bogens bis schließlich unser Pfeil, Sun, kraftvoll losschnellt: unaufhaltsam, unerbittlich, auf das Ziel zu.

Beispiele für Hexagramme, bei denen sich Gen zu Sun entwickelt, finden Sie → hier.