01 – entschlossenheit

„Ich, ich, ganz ich!“ – Wie ist das so, wenn ich plötzlich, ganz für mich, im Zentrum stehe, unabgelenkt von den den Stimmen der Anderen? Ist es wirklich still? Oder sind die Stimmen der Anderen weiterhin in meinem Kopf und ich führe Verteidigungsreden vor Abwesenden? Eine interessante Beobachtung: ich rechtfertige mich… weil ich nicht so bin, wie ich glaube, dass sie es erwarten? Aber, das zum Trost: Erkennen allein ist bereits Teil der Heilung.

Drehen wir den Spieß doch einfach um und stellen uns ein wohlwollendes Gegenüber vor. Das uns reden lässt, vor der wir unsere geheimsten Gedanken vertrauensvoll ausbreiten und weiterentwickeln können. Bis sie stark werden, leuchtend, uns tragen: glasklare Intentionen. Hell glühende Gedanken. Ganz eins mit uns. Und wir ganz eins mit ihnen.

Fragestellungen

Zum Hexagramm 01 – Entschlossenheit erreichten mich eine ganze Reihe von Anfragen. Hier eine Auwahl:

  • Eine Nutzerin fragt: „Wie ist meine Situation wirklich, wie soll ich sie verstehen?“ Der Hintergrund ihrer Frage ist, dass sie sich in einer Lebensphase befindet, in der sie eigentlich vieles abschließen bzw. ordnen sollte. Aber sie tut es nicht, sie drückt sich davor und nimmt lieber Nachteile (z.B. finanzieller Natur) in Kauf. Sie hat das Gefühl, festzustecken, sich selbst zu boykottieren.
  • Eine 70-jährige Nutzerin lebt mit ihrem schizophrenen Sohn und ihrer demenzkranken Mutter zusammen. Sie hat viel Energie darauf verwendet, deren Leben angesichts ihrer jeweiligen Erkrankungen so angenehm wie möglich zu gestalten,. Eigentlich ist sie Künstlerin und spürt immer noch den Drang, kreativ zu sein. Ihre Frage: „Worauf soll ich meine Energie konzentrieren?“
  • Eine Nutzerin wohnt zur Miete in einem Haus, das verkauft werden soll. Weil sie sich mit ihren Kindern dort sehr wohl fühlt, zieht sie in Betracht, das Vorkaufsrecht zu nutzen. Der Haken: ein weiteres, stark sanierungsbedürftiges Haus muss mitgekauft werden. Ihre Frage: Soll sie das tun, ist sie dem allem gewachsen?
  • Eine Nutzerin schreibt im vierten Jahr an einem Buch. Hat die Publikation im Eigenverlag Aussicht auf Erfolg?
  • Eine Nutzerin arbeitet und lebt mit ihren Kindern in einem Haus. Die juristische Situation ist unklar, möglicherweise muss sie ausziehen. Soll sie mit allen Mitteln am Haus festhalten? Oder soll sie loslassen, weil ein anderes, günstigeres Zuhause auf sie wartet?
  • Eine Nutzerin befragt das I Ging nach ihrer Kompetenz. Sie mag die Antwort sehr…
  • Eine Nutzerin fragt: „Soll ich meinen Partner verlassen?“
  • Eine andere: „Welche Gefühle hat er für mich? Welche Energien sind zwischen uns?“
  • Eine Nutzerin hat tausend Ideen und viele angefangene Projekte. Sie ist ständig unzufrieden – überfordert sie sich selbst? Wie soll sie priorisieren?
  • Ein Nutzer fragt, ob er sein Geschäft auf das I Ging aufbauen soll.
  • Ein Nutzer fragt, ob er in diesem Jahr den Durchbruch schafft.
  • Eine Nutzerin fragt: „Wie soll ich mich gegenüber X verhalten, um ein Näherkommen zu ermöglichen?“
  • Ein Nutzer fragt, was jetzt für ihn zu tun ist.
  • Eine weitere Nutzerin fragt: Welche Gefühle hat er für mich bzw.: „Welche Energien gibt es zwischen uns?“
  • Ein Nutzer berichtet: „Ich habe gerade eine Trennung hinter mir bzw. bin noch mitten drin… Außerdem habe ich eine Langzeittherapie begonnen, um meine Kindheitsschäden zu bearbeiten. In diesem Kontext habe ich mich gefragt, ob ich ein Narzisst sein könnte.“

Einige Überlegungen

Ich, Ich, ganz Ich.
Was soll denn das für eine Antwort sein? Ja, das ist eine Antwort… Aber eine ungewohnte. :)

Ich, Ich, ganz Ich.
Wann stellt man sich selbst schon dermaßen in den Mittelpunkt, noch dazu gleich drei mal?. Klar, da gibt es Egomanen, die tun das täglich. Aber wir, das Normalvolk? V.a. das weibliche Normalvolk? Wir werden doch eigentlich genau zum Gegenteil erzogen: für andere da zu sein. Uns aufzuopfern. Unsere eigenen Belange zurückzustellen. Uns nicht zu wichtig zu nehmen.
Und dann kommt auf einmal so eine Antwort: „Ich, Ich, ganz Ich.“ Ist irgendwie fast schon… revolutionär.

Revolution. Revolution bedeutet im ursprünglichen Sinn eigentlich herumdrehen (aus Lateinisch revolvere (zurückwälzen, -rollen, -drehen), was sich wiederum aus re- (lateinisch für: zurück) und volvere (lateinisch für: rollen, wälzen) zusammensetzt). Da wird also etwas ganz herumgedreht. Gewissermaßen auf den Kopf gestellt. Das unterste zuoberst, das oberste zuunterst gekehrt.
Oder vielleicht auch: Wieder in den Zustand zurückversetzt, in dem es ursprünglich war – und in den es eigentlich, ursprünglich, richtigerweise gehört?

Im konkreten Fall würde das Hexagramm 01 – Entschlossenheit möglicherweise dazu einladen, sich einmal etwas genau anzuschauen, wie man normalerweise auf Anforderungen reagiert. Könnte es sein, dass man aus Gewohnheit vorschnell von den eigenen Belangen (Wünschen, Absichten, Anliegen etc.) Abstand nimmt? Dass man sie gewissermaßen sofort und völlig vergisst sobald ein „Du“ auftaucht. Und dass man – statt sich selbst etwas Gutes zu tun –  sich voller Elan auf das stürzt, was da angefragt wurde, das liefert, was andere – wer auch immer – fordern? Dass man – und hier wird es interessant! – ohne nachzudenken zuallererst an die (oder den) Anderen denkt, an ihr/sein Wohlergehen (oder auch: ihr/sein Leiden). Dass diese/r Andere im Denken an erster stelle steht, und dass danach, nach dieser Top-Priorität, erst einmal für ziemlich lange Zeit gar nichts kommt…
Falls dem so ist (und stellen wir einfach mal nur das Faktum fest ohne gleich ins Psychologisieren, ins Fragen nach dem Warum und Woher zu verfallen), dann würde „Revolution“ bedeuten: einen Moment innehalten. Mal ganz kurz nichts tun. Mal ganz, ganz kurz hinspüren: Wonach ist mir eigentlich selbst? Wonach fühle ich mich, wenn ich die Belange der anderen mal ausnahmsweise kurz außer Acht lasse?
Was taucht da in meinem Kopf auf? Was sind eigentlich meine Wünsche? Wonach wäre mir (wenn mich jemand fragen würde)? Was würde ich eigentlich am allerliebsten tun, in einer Situation wie dieser, wenn ich… wenn ich allein auf der Welt wäre?

Und was würde passieren, wenn ich das dann täte?

Enttäuschte Gesichter. Die gibt es oft, wenn wir aufhören, so zu funktionieren, wie wir normalerweise funktionieren. Daran müssen wir uns gewöhnen. Geht aber.

Und als Lohn gibt es dann vielleicht das: In den Fluss [des Lebens] steigen.
Fühlt sich irgendwie… prickelnd an. :)

Die aktuelle Interpretation finden Sie hier: https://www.no2do.com/hexagramme/777777.htm