Kunst, Philosophie, Akupunktur, Psyche – und das I Ging

Mein Name ist Karin Ulrike Soika und ich bin bildende Künstlerin und Philosophin (auf www.soika.com können Sie einen genaueren Einblick in diesen Teil meines Schaffens nehmen). Im Rahmen meiner künstlerischen Tätigkeit arbeite ich seit 2009 an einer zeitgenössischen Interpretation des I Ging und verbinde in meinen Forschungen Psychologie, philosophische Anthropologie, östliche Philosophie und die theoretischen Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin.

Was mich zu meinem Projekt motivierte, war, dass ich auf vielen langen Reisen Richard Wilhelms Übersetzung des „Buch der Wandlungen” im Gepäck hatte – mit wechselndem Erfolg. Denn seien wir ehrlich: Die Originaltexte sind alles andere als zugänglich.

Aber, wie gesagt, ich bin Künstlerin. Und ich mag die Berufsbeschreibung: „Die Aufgabe des Künstlers ist es, den Sinn auszuloten.” Also war es nur folgerichtig, dass ich mich fragte „Und was ist nun der Sinn der Hexagramme?” und mich ans Werk machte. Das war 2009.

Allerdings hatte meine Forschungsreise bereits viel früher begonnen, ohne dass ich mir dessen bewusst war. 1983 kam ich in New York erstmals mit Akupunktur in Berührung. Der Therapeut, der mich behandelte, war Dr. Ching Y Ting, dessen Großvater in Shanghai die erste Schule für traditionelle Kräutermedizin Chinas eröffnet hatte und einer der letzten königlichen Ärzte war, die mit dem Kaiser in der Verbotenen Stadt zusammenarbeiteten. Es folgten viele weitere Behandlungen auf unterschiedlichen Kontinenten, mit unterschiedlichen Behandlungskonzepten und -erfolgen. Im Jahr 2010 begann ich, mich intensiver mit den theoretischen Grundlagen der klassischen Akupunktur zu beschäftigen.

Von Anfang an machte ich die Erfahrung, dass Akupunktur nicht nur auf meinen Körper, sondern auch auf meine Psyche wirkt. Angesichts der mittlerweile auch wissenschaftlich anerkannten Wechselbeziehung von Körper und Seele erschien mir das nur logisch. In einem Buch des Psychiaters Leon Hammer stieß ich zum ersten mal auf Belege für meine Vermutung, inzwischen bin ich in der Fachliteratur auf zahlreiche entsprechende Hinweise gestoßen, dass nämlich die einzelnen Meridiane sehr individuell charakterisiert sind und ganz spezifische psychische Funktionen repräsentieren.

Genau dieser Aspekt – individuelle Charakteristik und Funktion – zeichnen nun aber auch die einzelnen Trigramme des I Ging aus. Und tatsächlich: Die Reihenfolge des späteren Himmels bzw. Innerweltliche Ordnung nach König Wen, die ich später entdeckte, zeigt die Trigramme in der zeitlichen Reihenfolge ihres Hervortretens im Jahreslauf, eine Zuordnung, die auch für die Meridiane existiert. Da ist er also, der Nexus zwischen Akupunktur und I Ging.

Der zweite Aspekt, der mich interessierte, war die Frage, wie die beiden Trigramme, die zusammen ein Hexagramm bilden, miteinander zusammenhängen. Oberes und Unteres Trigramm, erstes und zweites Kernzeichen, das sind Begriffe, die in der Arbeit mit dem I Ging durchaus üblich sind. Dass man bei der Befragung des I Gings das Hexagramm aber von unten nach oben aufbaut und dadurch diese einzelnen Unter-Trigramme auseinander hervorgehen, gewissermaßen auseinander hervorwachsen, findet meiner Erfahrung nach wenig Beachtung. Entsprechend prominent habe ich diesen Aspekt in  meinem Interpretationsmodell herausgearbeitet.

Jede intelligente Frage enthält bereits ihre ebenso intelligente Antwort. Vor diesem Hintergrund zeigen uns die Transformationen des Hexagramms, worauf wir achten müssen. Um dann, im Sinne des Wu Wei, nicht mehr, eher weniger zu tun.

Autor: Karin Soika

DE: Karin Ulrike Soika ist bildende Künstlerin und Philosophin. Seit 2009 arbeitet sie an einer zeitgenössischen Interpretation des I Ging. Ihre Forschungen verbinden philosophische Anthropologie, östliche Philosophie und die theoretischen Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Weiterlesen... EN: Karin Ulrike Soika is a visual artist and philosopher. Since 2009, she has been developing a contemporary interpretation of the I Ching. Her research integrates philosophical anthropology, Eastern philosophy, and the theoretical foundations of Traditional Chinese Medicine. More...